29.04.2007 - 11.11.2007
Verachtet mir die Meister nicht, und ehrt mir ihre Kunst Â…" so die Botschaft des Schuhmachers und Poeten Hans Sachs in Richard Wagners "Meistersingern".
Damit verbindet er den Hinweis auf die Tradition der Meister, ihre fachlichen und menschlichen Qualitäten und Leistungen. Es ist ein Aufruf zur Achtung und Wertschätzung dieses Berufsstandes der "kleinen Leute" im Gegensatz zu den "Großen und Mächtigen dieser Welt".
Dieser Anspruch des Hans Sachs - er lebte bekanntlich im16. Jh. - hat sicherlich noch heute seine Gültigkeit. Auch wir sind gelegentlich geneigt, im Wirtschaftsleben unseres Gemeinwesens die großen Unternehmen als die tragenden Säulen zu sehen. Dabei sind es häufig die kleinen und mittelgroßen Betriebe, die zwar für weniger Schlagzeilen dafür aber für Wirtschaftsleistung, Beschäftigung und Ausbildungsmöglichkeiten sorgen.
Dass an ihnen technischer Fortschritt und Weiterentwicklung nicht vorbeigehen, wusste auch Hans Sachs als Schuhmacher und Poet vor 450 Jahren: man darf sich nicht am Alten festklammern, sondern muss sich den Anforderungen neuer Generationen stellen.
Der Titel ist Programm
So greift das Steglitz-Museum das Hans-Sachs-Motto auf und zeigt in seiner Ausstellung die Geschichte von Steglitzer Handels-, Handwerks- und Gewerbebetrieben: ihre Entstehung, Entwicklung und Wandlung im Laufe der Zeit. Ihre Gründer zeichneten sich durch besondere fachliche Fähigkeiten, aber auch durch Tatkraft und Kreativität aus. Viele Betriebe sind ihrem alten Standort treu geblieben, in vielen Fällen haben sich jedoch - bedingt durch Anforderungen der Kunden, Wettbewerb, technischen Fortschritt - Inhalt und Art der Tätigkeit erheblich verändert.
Der begrenzte Platz in der Ausstellung führte zu einer engen Beschränkung der als Beispiele vertretenen Unternehmen. Dabei erfolgte die Auswahl nicht nach einem bestimmten Schema, sie war eher zufällig. Einige der Betriebe machten durch ihre besonderen Geschäftsziele oder die Art ihrer Beschäftigung auf sich aufmerksam.
Der Wandel vom Dorf zum städtischen Gemeinwesen ...
Bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jh. war diese Region im Südwesten Berlins durch die kleinbäuerliche Landwirtschaft geprägt. Der einsetzende Transformationsprozess und seine Geschwindigkeit werden deutlich an der Entwicklung der Einwohnerzahlen: im Jahre 1871, zur Zeit der Gründung des Deutschen Reiches, waren es ca. 3.000 Bewohner, die hier als Bauern, Landarbeiter oder kleine Handwerker lebten. Zur Jahrhundertwende 1900 waren es bereits 50.000 und im Jahre 1939 bei Ausbruch des 2. Weltkrieges fast 215.000 Menschen.
Antriebskräfte für diese Entwicklung waren der technische Fortschritt, symbolhaft gekennzeichnet u.a. durch den Bau der Eisenbahnlinien, die erste elektrische Straßenbahn, den Bau des Teltowkanals.
Mehr aber noch war es die von der Metropole Berlin ausgehende Entwicklung der Villenvororte und Gartenstädte. So entstand die Villenkolonie Lichterfelde als Kern eines für damalige Verhältnisse hoch-modernen Gemeinwesens, und im Gefolge wuchs das kleine Dorf Lankwitz zu einer selbstbewussten Gartenstadt heran. Auch in Steglitz entstanden Siedlungen, und in der Folge wandelte sich das frühere Dorf zu einem städtischen Gemeinwesen.
... zog die Entwicklung der Betriebe nach sich
Die Wirtschaftsstruktur mit den Handels-, Hand-werks- und Gewerbebetrieben entwickelte sich als Folge des Wachstums der Siedlungen und der schnell steigenden Einwohnerzahl.
Der Wirtschaftskrise und dem Zerfall der jungen deutschen Demokratie folgte die Zeit der NS-Diktatur, in der zahlreiche Eigentümer von kleinen und größeren Unternehmen durch die sog. "Arisierung" enteignet wurden.
Der Wiederaufbau nach Krieg und Zerstörung forderte von allen Beteiligten große Anstrengungen, Improvisationsgabe und Kreativität. Erschwert wurde er durch die Teilung der Stadt. Dabei erfuhr Steglitz eine deutliche Veränderung: Bis 1945 hatte der moderne Verwaltungsbezirk im Wesentlichen den Charakter eines Vororts der Metropole. Der Zusammenbruch und die Spaltung der Stadt leiteten eine völlig neue Stadt- und Geschäftsentwicklung ein. Es war das Verdienst insbesondere des Handels, dass er diese Entwicklung von Steglitz zu einer "Metropole im Südwesten" durch Modernisierung und zahlreiche Neugründungen begleitet und gefördert hat.
Über diese Ausstellung
Die Wirtschaftsgeschichte des Berliner Südwestens, insbesondere auch des ehemaligen Bezirks Steglitz, ist in weiten Teilen durch kleine und mittelgroße Betriebe geprägt. Ihren Erfolg verdanken sie den Gründern und den Menschen, die als deren Nachfolger diese Unternehmen geführt haben.
Ziel dieser Ausstellung ist es, die Geschichte dieser Unternehmen und der Menschen an ihrer Spitze aufzuzeigen. Allerdings musste die Zahl der als Beispiele dargestellten Betriebe wegen der räumlichen Begrenzungen im Steglitz - Museum stark begrenzt werden. Die erforderliche Auswahl erfolgte nicht nach einem festen Schema, sondern eher zufällig. Dennoch glauben wir, dass mit diesem besonderen Ansatz ein ereignisreiches Kapitel der Steglitzer Geschichte und Stadtentwicklung dargestellt wird.
Übersicht der in der Ausstellung gezeigten Firmen:
Bäckerei Mälzer, Buchhandlung Wollschläger, Eickfeld Bauschloßerei, Gertruden-Apotheke, Konditorei Rabien, Lankwitzer, Werkstätten, Markthändler Gräbe, Maßatelier Dominik, Merk & Sohn Steinmetz, Möbelhaus Thieme, Musikhaus Lichterfelde, Optiker Löw, Rohrbeck Autozubehör, Rudolph Parkettböden, Salon Falge, Scherk Kosmetik, Schuhmacher Kolodziej, Schuke Orgelbauwerkstatt, Siebenkorn-Süd Biomarkt, Wiking Modellbau.