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Jürgen Schadeberg: Chronist Südafrikas

11.03.2014 - 29.06.2014

Der aus Berlin stammende Jürgen Schadeberg (geboren 1931) gehört einer Generation von Fotografen an, die nach dem Krieg das politische und kulturelle Zeitgeschehen mit wachem Auge zu dokumentieren begannen. Glücklich, den deutschen Faschismus überlebt zu haben, immigrierte er 1950 nach Südafrika - ein Land, das unter dem Burenregime das System einer strikten Rassentrennung perfektionierte. Als Art Director, Redakteur und Fotojournalist trug er maßgeblich zum Aufbau und Erfolg des Lifestyle-Magazins "Drum" von Schwarzen für Schwarze bei. "Drum" wurde 1951 gegründet, im selben Jahr, als die Apartheid staatlich festgeschrieben wurde. Schadeberg berichtete darin über das kulturelle, soziale und politische Tagesgeschehen ebenso wie über Mode und lokale Stars. Neben dem britischen Herausgeber Jim Bailey war er der einzige Weiße in der Redaktion. "Schnell leben, jung sterben und als Leiche gut aussehen" lautete das Motto des Magazins.
Schadeberg wandte sich entschlossen den Lebensbedingungen der Schwarzen und dem von Nelson Mandela angeführten Widerstand zu. Aus nächster Nähe hielt er Schlüsselmomente der südafrikanischen Geschichte fest. So dokumentierte er zu Beginn der 50er Jahre die von Mandela angeführten Freiheitskämpfe des ANC gegen die Apartheitsgesetze, den Abriss des kulturellen und politischen Zentrums von Johannesburg, Sophiatown, als letztem Stadtteil, in dem Schwarze und Weisse noch zusammen lebten. Nicht zuletzt dokumentierte er auch die Folgen des Sharpeville-Massakers von 1960, das als trauriger Wendepunkt des Widerstands gilt.
Aufgrund politischer Schikane kehrte Schadeberg 1964 nach Europa zurück. In England und Schottland waren es wieder die Populärkultur und Klassenunterschiede, die ihn besonders beschäftigten. Schadeberg zeigt sich hier einmal mehr als ein engagierter Beobachter des Alltags. Gleichzeitig gelingen ihm Schnappschüsse von Rockidolen wie Mick Jagger, den er vor den Kulissen der legendären Musiksendung Ready Steady Go porträtiert.
Schadeberg blieb seiner früheren Wahlheimat verbunden. So fotografierte er Mandela, als dieser 1994 seine ehemalige Gefängniszelle auf Robben Island besuchte und im gleichen Jahr Staatspräsident wurde. Interessiert an der Frage, wie sich nach dem Ende der Apartheid das Leben der Bevölkerung auf dem Lande verändert hatte, schuf er die Serie "Voices from the Land" (2004/05). Die Serie ist im Zuge einer Reise mit mehreren Schriftstellern entstanden. Im Fokus der als Feldstudie angelegten Arbeit stehen die Farmer und Landarbeiter Südafrikas. "Tales from Jozi" (2007) zeigt dagegen das prekäre Leben am Rande von Johannesburg, einer Stadt, die von scharfen Kontrasten geprägt ist.
Neben den erwähnten Serien, die in Auswahl gezeigt werden, wurden für die Ausstellung zahlreiche weitere Arbeiten ausgesucht, die in der Zusammenschau eine Chronologie zur politischen und kulturellen Geschichte Südafrikas bilden. So treten nicht nur die Apartheid und deren Überwindung in den Blick, vielmehr wird auch ein Bild der lebendigen Jazzszene gezeichnet, die sich in den 50er-Jahren entwickelte. Schadeberg porträtiert Künstlergrößen wie die "Queen of Blues" Dolly Rathebe, Miriam Makeba und Hugh Masekela, gibt aber auch die Atmosphäre und Lebensfreude der "dance halls" und Clubs dieser Zeit wider.
Auch das Leben von Ureinwohner wurde von Schadeberg beobachtet. Seine Serie "San" (1959) zeigt diese kleinste Minderheit des Landes in ihrem natürlichen Lebensraum, der Wüste Kalahari. Schadeberg war während eines rituellen "Trance-Dance" zur Vertreibung der bösen Geister anwesend, den er fotografisch eindringlich in Szene setzt.
Das fotografische Gepäck der südafrikanischen Jahre Jürgen Schadebergs ist von größtem historischen Wert und erfährt heute durch Ausstellungen und Publikationen weltweite Beachtung. Zu diesen Zeugnissen zeigt die Retrospektive auch weniger bekannte Seiten im Schaffen des bedeutenden Fotografen. So tritt erst das Bild des Künstlers Schadeberg hervor, der manchmal in Sekundenbruchteilen Ausschnitte festlegt, die im Nachhinein wie genau austarierte Kompositionen anmuten.

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