12.04.2008 - 15.06.2008
Mit der großen Retrospektive der amerikanischen Künstlerin Sharon Lockhart setzt der Kunstverein in Hamburg seine Reihe fort, in umfangreichen Einzelpräsentationen das Werk von bedeutenden Künstlerinnen und Künstlern vorzustellen, die überwiegend in den Medien Film und Fotografie arbeiten. Hierzu zählten in den letzten Jahren unter anderen Yael Bartana, Willie Doherty, Andrea Fraser, Mark Lewis und Paul McCarthy. Wie bei diesen wird auch zur Ausstellung von Sharon Lockhart ein umfangreicher Oeuvrekatalog erscheinen.
Den Filmen und Fotografien der 1964 in Norwood, Massachusetts geborenen und heute in Los Angeles lebenden Sharon Lockhart gehen in der Regel zeit- und arbeitsintensive Recherchen voraus. Ihre frühen Arbeiten lassen durch Verweise auf Filmklassiker und filmstillhafte Fotografien Referenzen an ihr direktes Umfeld Hollywood erkennen. Zu einer ihrer bekanntesten Aufnahmen dieser Zeit, die auch in der Hamburger Ausstellung zu sehen ist, zählt „Audition“ (1994), eine Serie von Farbfotografien in denen Jungen und Mädchen eine Szene aus Francois Truffauts „LÂ’argent de poche“ (Taschengeld) von 1975 nachstellen.
Die wie Standaufnahmen eines Films wirkenden Fotografien erzeugen einen irritierenden Widerspruch zwischen dem Alter der Darsteller und den von ihnen nachgespielten Szenen, der für das Werk Sharon Lockharts charakteristisch ist, denn es sind häufig Kinder oder Jugendliche, die im Übergangsstadium zum Erwachsensein porträtiert werden.
Dabei interessiert die Künstlerin, wie sich kulturelle Repräsentation nicht nur in unterschiedlichen Lebensphasen, sondern auch in verschiedenen geografischen Regionen und Zusammenhängen manifestiert. So verbrachte sie zur Realisierung einiger ihrer Projekte jeweils mehrere Monate in Japan und Brasilien. Für ihren Film „Goshogaoka“ (1997) konzipierte sie ein exakt durchchoreografiertes Basketballtraining mit japanischen Mädchen in einem Vorort von Tokio. Wie bei allen ihren Filmen entstanden auch hier Fotografien, die als eigenständige Serien einen besonderen Charakter besitzen, der zwischen flüchtigem Prozess und bildhafter statischer Komposition oszilliert.
Die Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von bildender Kunst und Film, von künstlich inszenierter und vermeintlich authentisch realistischer Widergabe von Wirklichkeit zählt zu den Konstanten im Werk von Sharon Lockhart. Vor diesem Hintergrund wird ihre Motivwahl von Skulpturen Duane Hansons verständlich, mit denen sie sich in mehreren fotografischen Arbeiten auseinandersetzt, die sie nicht zuletzt aufgrund ihrer Simulation von Realität interessieren. Darüber hinaus insistiert die Künstlerin in Bezug auf den jeweils spezifischen Kontext der Rezeption ihrer Arbeit, indem sie ihre Filme fast ausschließlich in Kinos präsentiert. Erst in den letzten Jahren ist sie dazu übergegangen, für einige ihrer bewegten Bilder Präsentationsformen im Ausstellungskontext zu entwickeln, die für die Diskrepanz zwischen den beiden Orten Kino und Museum. So zeigt sie, wenn „Pine Flat“ (2005) in Ausstellungen zu sehen ist, täglich wechselnd ein anderes der zwölf Kapitel. Um den gesamten Film zu sehen, müssen die Besucher also fast zwei Wochen jeden Tag in die Ausstellung gehen, allein ein Kinobesuch würde es ermöglichen, den Film mit lediglich einer kurzen Pause anzuschauen.
Sharon Lockhart setzt bewusst dramatische Effekte ein, die in einem Spannungsverhältnis zur rationalen, konzeptuellen Ausrichtung der Arbeit stehen. Die Atmosphären und Situationen in ihren Filmen und Fotografien werden gleichzeitig durch analytische Distanz sowie durch subjektive Einfühlsamkeit bestimmt.
Eröffnung: Freitag, 11. April 2008 um 18.00 Uhr