Museum für Fotografie / Helmut Newton Stiftung (Foto: KULTURpur)
KULTURpur - Wissen, wo was läuft!

Museum für Fotografie / Helmut Newton Stiftung

Museum für Fotografie. Berlin-Charlottenburg, Stefan Müller
Museum für Fotografie. Berlin-Charlottenburg, Stefan Müller
Museum für Fotografie / Helmut Newton Stiftung (Foto: KULTURpur)
Museum für Fotografie / Helmut Newton Stiftung (Foto: KULTURpur)

Jebensstr. 2
10623 Berlin
Tel.: 030 3186 4856
Homepage

Öffnungszeiten:

Di-Fr 10.00-18.00 Uhr
Do bis 20.00 Uhr
Sa+So 11.00-18.00 Uhr

Helmut Newton: World Without Men - Archives de Nuit / François-Marie Banier: Portraits

08.12.2012 - 13.10.2013

Modephotographie war stets der wichtigste Aspekt im Werk Helmut Newtons. Lange bevor er seine ersten Publikationen in internationalen Verlagen auch mit Modebildern füllte, arbeitete er im Auftrag von renommierten Modemagazinen und Modehäusern. Einige dieser Photographien veröffentlichte er in seinem vierten Bildband – unter dem ironischen und zugleich programmatischen Titel „World without Men“. Die Publikation erschien 1984 zunächst in den USA und bereits im selben Jahr in Deutschland, nun wird sie anlässlich der Berliner Ausstellung neu aufgelegt. Darin finden sich pointierte Selbstäußerungen von Newton sowie zahlreiche Bildikonen, aufgenommen in Paris, Saint-Tropez, Los Angeles, Mailand, Berlin und London zwischen den 1960er und 1980er-Jahren. Das legendäre Photobuch wird, vergleichbar der gerade zu Ende gegangenen Ausstellung zu Newtons ersten drei Bildbänden, nun erstmals in eine Ausstellung verwandelt und komplett präsentiert. Newtons Modephotographie zeichnete – jenseits der traditionellen Erzählweise – stets luxuriöse Eleganz und subtile Verführung, kulturhistorische Bildzitate und ein überraschender Bildwitz aus. Diesen unnachahmlichen Stil entwickelte der damals in Paris lebende Photograph, wie wir hier sehen, in den 1970er und 1980er-Jahren, inklusive der Verschiebung oder gar Ignorierung mancher Tabus. Seitdem erst war die allgemeine Akzeptanz für Modeaufnahmen so weit gestiegen, dass Bildbände veröffentlicht und Ausstellungen zur Modephotographie organisiert wurden; das galt umso mehr, wenn etwa Richard Avedon, Irving Penn, William Klein oder Helmut Newton daran beteiligt waren und Neuinterpretationen lieferten.
Wir blicken hier auf die damals zeitgenössische Mode von Yves Saint Laurent und Mary Quant, Ungaro und Lagerfeld, die Newton so zeitlos inszenierte, respektive in die so unnahbar wirkenden Gesichter der Modelle, deren Blick in die Ferne oder nach innen gerichtet zu sein scheint. Selbstverständlich gibt es die für Newton so typische zwischengeschlechtliche Interaktion, wobei gelegentlich auch Frauen in männliche Rollen schlüpfen und dies noch auf den zweiten Blick sichtbar bleibt. Männer tauchen nur dann auf, wenn sie von Newton als Statisten für die Bewunderung weiblicher Schönheit und Macht inszeniert werden. Manchmal finden sich zwei Männer in Begleitung einer selbstbewusst wirkenden Frau, ähnlich Truffauts „Jules et Jim“ von 1962. Ein noch eindeutigeres Filmzitat liefert eine Modestrecke für die britische Vogue, entstanden in London Mitte der 1960er-Jahre, als Helmut Newton eine Szene aus Hitchcocks „North by Northwest“ („Der unsichtbare Dritte“) von 1959 in eine Modephotographie übersetzte: eine Frau im Pelz (für den mit dieser Aufnahme geworben wird) geht vor einem herannahenden Flugzeug in Deckung. Mit einer anderen Modephotographie für die italienische Vogue aus der gleichen Zeit zitiert Newton den geschätzten Kollegen Martin Munkacsi, der drei Dekaden zuvor ebenfalls ein weibliches, schwarz gekleidetes Modell an einem Strand im Profil und in Bewegung durch sein Kamerablickfeld laufen ließ. Der entscheidende Unterschied liegt in der Mode, denn 1966 war der Rocksaum des Cocktailkleides bereits über die Höhe des Knies gerutscht – bei Munkacsi war dies undenkbar; er hatte damals lediglich Bademode am Strand photographiert.
Überraschend bleiben in Newtons Werk die Kontraste zwischen der bewussten Inszenierung seiner Aufnahmen und dem „normalen Leben“ drum herum, etwa am Strand von St. Tropez. Hier stellte der Photograph 1978 im Auftrag des „Stern“ ein Modell im eleganten, hochgeschlossenen Thierry Mugler-Abendkleid auf eine Bank, umgeben von halbnackten Menschen beim Sonnenbad. Damit bezog er Lokalkolorit inklusive einer natürlichen Nacktheit in seine Modephotographie mit ein – ein interessantes Wechselspiel für einen Photographen, der nackte Haut ansonsten auch genreübergreifend thematisierte. Die Idee des „Naked and Dressed“, die er nur kurze Zeit später in den berühmt gewordenen Diptychen seines „Big Nudes“-Projektes ausformulierte, taucht hier bereits im Ansatz auf.
Ergänzt wird „World without Men“ durch „Archives de Nuit“, ein Ausstellungsprojekt von Helmut Newton mit begleitender Publikation, das 1992 in Paris Premiere hatte und anschließend an mehreren Orten in Europa gezeigt wurde. Es vereint Schwarz-Weiß-Photographien unterschiedlicher Genres aus den späten 1980er- und frühen 1990er-Jahren: Porträt, Akt, Landschaft, Stillleben – Modeaufnahmen sind keine dabei. Newton interessierte sich, wie wir hier sehen, auch für andere Themen und Motive, etwa landende Wasserflugzeuge, beobachtet vom Balkon seiner Wohnung in Monte Carlo, für Schrottautos am Straßenrand in Berlin, für menschliche Missbildungen in der Vitrine eines naturhistorischen Museums in Wien oder das Innere der Kathedrale von Bologna. Es sind eher freie Projekte, und diese ungewöhnlichen Seitenblicke werden in der Publikation und in der aktuellen Berliner Ausstellung mit Aktaufnahmen, die unter anderem im Auftrag des Playboy entstanden, kontrastiert. Das Konzept ähnelt seinem Magazin „Helmut Newton Illustrated“, das in vier Ausgaben in unregelmäßigen Abständen zwischen 1987 und 1995 erschien und 2007 in Berlin ausgestellt war. Newtons Nacht-Bildarchiv vereint in der Tat viele düstere, rätselhafte, mitunter unheimliche Aufnahmen voller Vanitas-Motivik, die noch mehr an Detektiv- oder Kriminalgeschichten erinnern als sein sonstiges Werk. Einige Bilder der beiden Projekte werden in der Helmut Newton Stiftung erstmals präsentiert.

KULTURpur empfehlen